STATION PILZE UND TOTHOLZ

WAS IST TOTHOLZ?

Was für die einen das Bild des „gepflegten und aufgeräumten“ Waldes stört, verbinden viele andere mit „aufregend wilden Urwäldern“. Tatsächlich sind aber viele kleine und große Waldbewohner essenziell auf das Vorkommen von Alt- und Totholz in ihrem Lebensraum angewiesen. Für sie kann das Fehlen dieses elementaren Biotopelements lebensbedrohlich sein.

Unter dem Begriff „Totholz“ versteht man stehende und liegende Bäume oder Teile davon, die abgestorben sind. Es ist das letzte Stadium im Leben eines Baumes und eines der wichtigsten Strukturelemente unserer Wälder. In der Forstwirschaft werden absterbende Bäume auch als Biotopbäume, Höhlen- und Spechtbäume oder Habitatbaum bezeichnet.

Totholz kann durch Kalamitäten wie Krankheiten, Insekten- und Pilzbefall, Wind- und Schneebruch sowie Waldbrand entstehen.

LEBENSRAUM TOTHOLZ

Absterbende oder tote Bäume dienen einer Vielzahl an Lebewesen als Nahrungsquelle, Lebensraum oder Brutstätte. Stehendes Totholz hat eine wichtige Bedeutung für die Biodiversität in unseren Wäldern, da es vielen höhlenbewohnenden Arten einen Lebensraum bietet. Das Vorhandensein von bohrenden Insekten und deren Larven lockt zunächst Vögel, wie den Specht an. Er bedient sich am reichhaltigen Nahrungsangebot und baut gleichzeitig Höhlen, die er als Schlafhöhle nutzt oder in denen er seinen Nachwuchs aufzieht. Diese Höhlen werden anschließend von sekundären Höhlenbrütern wie Blaumeisen (Cyanistes caeruleus), Hohltauben (Columba oenas), Eulenvögeln oder Fledermäusen genutzt. Sie dienen aber auch Kleinsäugern wie dem Eichhörnchen oder Siebenschläfer als Tages- oder Winterquartier. Spaltenquartiere hinter abstehenden Rindenstücken werden zudem von Fledermäusen oder Baumläufern angenommen. Liegendes Totholz spielt insbesondere für Pilze und Insekten eine große Rolle.

Das Totholz ist mit seiner Vielfalt an vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften ein aussagekräftiger Indikator in Bezug auf Artenvielfalt und Naturnähe eines Waldes. Über ein Viertel der im Wald lebenden Arten (in Deutschland allein 1.300 verschiedene Käferarten), sind auf das Vorhandensein von Totholz angewiesen und dadurch in ihrem Bestand besonders gefährdet, wenn diese Strukturen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Je nach Art, Alter, Stärke und Strukturvielfalt des Baumes findet man unterschiedliche, spezialisierte Organismen. Auch Belichtung, Feuchtigkeit und Zersetzungsgrad beeinflussen die Artenvielfalt.

WIE ENTSTEHT TOTHOLZ?

Totholz kann an Bäumen unterschiedlicher Altersstruktur entstehen. Grundvoraussetzung ist eine herabgesetzte Vitalität, z.B. durch Astausbrüche oder Rindenschäden, wodurch die Widerstandsfähigkeit des Baumes geschwächt wird.

„Holzaufschließende“ Tierarten (z.B. Insekten und Spechte) verschaffen vielen holzzersetzenden Pilzen Zugang durch die schützende Rinde zum Holz. Nun beginnen Pilze die Holzbestandteile Zellulose (Braunfäule) und Lignin (Weißfäule) aufzuschließen und abzubauen. Mit fortschreitender Zersetzung wird der Stamm immer weicher und morscher und fällt irgendwann zu Boden. Dabei erhält er Kontakt mit feuchtem Substrat und weiteren Gemeinschaften holzabbauender Organismen, so dass sich der Zersetzungsprozess noch beschleunigt.

Am Ende der Zersetzung (Humifizierungsphase) bleibt ein nährstoffreiches Substrat (Mulm) übrig, was zum Teil auch aus dem Kot der Destruenten besteht. Durch Bodenlebewesen wie Würmer, Asseln und Milben werden die Bestandteile weiter zerkleinert. Pilze und Bakterien schließen den Zersetzungsprozess endgültig ab.

Während dieses Prozesses werden die lange Zeit im Holz gebundenen Nährstoffe mineralisiert und können im Waldboden von wachsenden Pflanzen erneut aufgenommen werden. Baumart und Größe sowie die vorherrschenden mikroklimatischen Bedingungen beeinflussen die Dauer des Prozesses. Jede Phase der Zersetzung wird durch unterschiedliche Organismen geprägt.

PILZE UND TOTHOLZ

Pilze können weder den Pflanzen noch den Tieren zugeordnet werden und bilden ein eigenes Reich. Sie sind sesshaft wie Pflanzen, besitzen aber kein Chlorophyll und können deshalb keine Photosynthese betreiben und organische Substanzen produzieren. Daher müssen sie diese wie Tiere aus ihrer Umgebung aufnehmen.

Das was wir umgangssprachlich als Pilz im Wald sehen, ist lediglich der Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz besteht aus vielen mikroskopisch feinen, fädigen Hyphen, die ein weit verzweigtes Myzel bilden, dass sich in oder auf einem Substrat (z. B. Waldboden, absterbender Baumstamm) ausbreitet. Pilze vermehren sich mit Hilfe von Sporen.

Von unseren 5.000 heimischen Pilzarten ist etwa die Hälfte an das Vorhandensein von Totholz angewiesen. Mit ihrem Myzel dringen sie in das Holz ein und lösen mittels Enzymen die Nährstoffe aus den Zellen des Baumes, welche sie für ihr Wachstum benötigen.

Viele Baumpilze wachsen über mehrere Jahre und sind deshalb auch im Winter an den liegenden Stämmen zu finden: z. B. Rotrandiger Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) und Zunderschwamm (Fomes fomentarius). Manche Arten bilden nur im Winterhalbjahr ihre Fruchtkörper, wie z.B. der Austernseitling (Pleurotus ostreatus).

Pilze ernähren sich auf unterschiedliche Weise. Als Saprophyten (Fäulniszersetzer) bauen sie tote Organismen, Exkremente oder Totholz ab. Wenn sie Lebewesen als Wirt befallen und schädigen, werden sie zum Parasiten. Dabei gibt es auf Baum-/Holzarten spezialisierte Pilze. Manche Arten sind aber nicht wählerisch und wachsen auf mehreren Baumarten sowie auf Laub- und Nadelholz.

Oft sind Bäume und Pilze unterirdisch durch eine „Pilzwurzel“ (Mykorrhiza) miteinander verbunden. Sie gehen eine Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Vorteil beider Partner ein (Symbiose). Dabei umspinnen die Pilzfäden die Feinwurzeln der Bäume, versorgen diese mit Nährstoffen und verbessern die Wasserverfügbarkeit. Die Pilze erhalten im Gegenzug lebensnotwendige Kohlenhydrate, die sie selbst nicht produzieren können. Mykorrhiza-Bäume zeichnen sich durch höhere Vitalität und Widerstandskraft aus.

Dem kundigen Pilzsammler sind diese Baum-Pilz-Beziehungen bekannt. So sollte man Steinpilze (Boletus edulis) unter Eichen, Buchen oder Fichten suchen. Manche Pilze verraten ihren Mykorrhizapartner und somit unter welchen Bäumen sie zu finden sind bereits im Namen: Birkenröhrling (Leccinum scabrum) unter Birken, Goldröhrling/Goldgelber Lärchenröhrling (Suillus grevillei) unter Lärchen.

DOPPELWESEN FLECHTEN

Wenn Pilzfäden Grün- oder Blaualgen umspinnen, entsteht daraus eine neue symbiontische Lebensform - die Flechten. Hier liefert der Pilz der Alge Wasser sowie Mineralstoffe und übernimmt die Fortpflanzung. Der Algenpartner versorgt den Pilz mit lebenswichtigen Nährstoffen. Diese nützliche Zweckgemeinschaft ermöglicht Flechten die Besiedlung extremer Standorte. Auf dem Hainberg kann man Flechten insbesondere an Bäumen (sogenannte Epiphyten) und auf dem Erdboden finden. Epiphyten nutzen Bäume nur als Wuchsunterlage, so dass sie die Gehölze in keiner Weise schädigen.

Weiterführende Links:

    gera forest

    Rotrandiger Baumschwamm - Fomitopsis pinicola (Foto: Andrea Geithner)

    gera forest

    Zunderschwamm - Fomes fomentarius (Foto: Andrea Geithner)

    gera forest

    Trompetenflechte - Cladonia fimbriata (Foto: Andrea Geithner)

    Jetzt App runterladen und ab in den Wald!

    App Store BadgeApp Store Badge